Ich versuche auch nochmal, das mit dem Sex etwas näher aufzugreifen. Kurz vorab, ich sehe es auch als schwierig an, wenn bei diesem Thema Begriffe wie "Reinheit" und "verdreckt" fallen, das ist keine gesunde Einstellung, kann aber nachvollziehen, dass du damit aufgewachsen bist. Dennoch solltest du versuchen, diese Einstellung zu hinterfragen. Lass mich dir kurz erklären, warum:
Machen wir zunächst einen kleinen Exkurs - Körperliche Anziehung, Attraktivität (und das geht schon ganz klar in die Richtung Sex) sind die wichtigsten Grundbedingungen, damit sich zwei Menschen überhaupt in dem Sinne, wie du es wünschst, annähern können. Niemand kann und will ja eine Beziehung mit jemandem führen, dem man nicht mal begehrt. Es gibt natürlich unsäglich viele, die das schon trotzdem versucht haben (oder noch werden), indem sie andere Eigenschaften wie Humor, Intelligenz, guten Charakter hervorhoben und dafür Attraktivität vernachlässigten. Das passiert beispielsweise ganz häufig bei Fällen, wo der letzte Ex-Partner sexuell anziehend war, aber dafür eine oder mehrere negative Eigenschaften hatte, z.B. absolut kein Romantiker. Dann trennt man sich und trifft eine Person, die superromantisch ist, aber optisch mit Abstrichen daher kommt. Weil das Bedürfnis nach Romantik beim letzten Partner unerfüllt blieb, stürzt man sich dennoch auf diese Person. Am Anfang klappt das auch noch ganz gut mit der rosaroten Brille, aber auf Dauer merkt man dann doch relativ schnell, dass da was anderes Essentielles fehlt und man weiß teilweise nicht mal, was genau, bis es einem wie Schuppen von den Augen fällt. Das nur mal, um zu verdeutlichen wie wichtig sexuelle Anziehung ist.
Jetzt zu der Frage, ob Sex vor oder in der Beziehung: Sex sollte nie eine Art "Belohnung" dafür sein, dass man in einem Beziehungsstatus gelandet ist, sondern davor stattfinden. Das ist abgesehen vom unverfänglichen Spaß an der Sache an sich deshalb zu empfehlen, weil die Chemie im Bett einen wichtigen Eckpfeiler (manche sagen den wichtigsten) einer Beziehung darstellt. Immer. Wer dir was anderes erzählt, belügt dich oder ist dumm. Wenn du sexuell nicht ausgelastet bist, ist deine gesamte Grundstimmung deutlich schlechter, als wenn du es wärst. Mit gutem Sex fühlt man sich bedeutend ausgeglichener und wohler im Leben. Kommt ja auch nicht von ungefähr, die Natur musste sich schließlich ein paar Reize einfallen lassen, damit wir uns auch fortpflanzen wollen. Der Schwachpunkt beim ersten Sex in der Beziehung ist, dass du erst, wenn du bereits voll drinhängst, feststellst, ob dieser so wichtige Eckpfeiler bei euch überhaupt funktioniert. Wenn es klappt, Glück gehabt. Was, wenn nicht? Du bist dann bereits mit Gefühlen stark involviert und es kostet dich bedeutend mehr Aufwand, aus der Sache wieder auszusteigen, als wenn du das mit der fehlenden sexuellen Chemie bereits früher herausgefunden hättest. Oder salopp gesagt: Du willst die Katze im Sack kaufen!
Letzten Endes musst du es selber wissen, wie du verfahren willst. Ich hoffe aber, dass dir das hier ein paar zusätzliche Denkanstöße gegeben hat. Lass dich bitte nicht soviel von Erziehung und Kultur beeindrucken, die ihre gesellschaftlichen Vorstellungen aus einer Zeit haben, wo der Wert einer Frau noch in Kamelen und Datteln gemessen worden ist.