Der Mensch und sein Nutzen

Dabei
29 Okt 2008
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#1
Guten Abend,

als ich selber noch ein Schüler war und mein Dasein keine Wertschöpfung mit sich brachte, war mir dieser Umstand nicht bewusst. Später betrat ich die Industrie und mit jedem gewissenhaft vollendeten Schritt kam das Gefühl, mein Einsatz treibe ein größeres System mit an. Durch Tat - und ggf. auch durch Wort - verliessen mehr Produkte hochwertiger Qualität die Firma, als es ohne mich der Fall gewesen wäre. Ich war Jahre lang gar von einem "Mannschaftsgefühl" eingenommen, das mich auch dazu verleitete, Schritte mehr zu gehen, die niemand sonst gehen würde. Erst mit der Gewissheit, mehr einem "tragischen Helden" zu gleichen, der zwar einer ehrenwerten Tätigkeit nachgeht, sich aber nicht mehr weiter entwickelt, kam auch der Drang danach, dem System zu entfliehen und durch ein Studium noch einmal der eigenen Weiterbildung Priorität zu verleihen.

Mit den Monaten, die mich von meinem damaligen Leben trennen, kehrt ein wenig Ernüchterung ein und ich fühle mich oftmals nicht mehr nützlich. Die Arbeit für mich selbst, sprich, das stundenlange Lernen, auch wenn es rein sachlich gesehen von Erfolg geprägt ist, erfüllt mich nicht wirklich mit Erfolgserlebnissen oder dem Gefühl, eine feste und essentielle Rolle einzunehmen, die nur ersetzen kann, wer mich in allen Belangen übertrifft.

Da ich kein Universitäts-, sondern ein FH-Studium absolviere, ist die Aufnahme einer Arbeit neben dem Studium kaum möglich (Pflichtveranstaltungen, die keinen regelmäßigen Einsatz zulassen), finanziell ist es zudem auch nicht erforderlich, dass ich neben dem Studium arbeite. Verrückt scheint mir, dass ich mich in letzter Zeit manchmal nach der alten, teilweise mehr als stumpfsinnigen Arbeit sehne, ihr gedanklich sogar die Funktion als Ausgleich zuordne.

Sah sich jemand, der eventuell ebenfalls aus dem Berufsleben ausgetreten noch einmal ein Studium antrat, in einer ähnlichen "Krise"?
 
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Dabei
5 Dez 2012
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#2
Du machst den Fehler deine Erfolge nur in "Echtzeit" zu sehen. Was du jetzt tust ist eine Investition in später. Wenn du dein Wissen später z. B. dazu nutzt Produktionsprozesse zu vereinfachen, Arbeitsplätze Arbeitnehmerfreundlicher zu gestalten (geh jetzt einfach mal davon aus dass du in der Produktion bleiben willst) nutzt das viel stärker als wenn du jezt "durcharbeiten" würdest und dich nicht weiterentwickeln würdest. Meine Meinung zu deinen Ratschlägen die du hier gibst habe ich dir ja schon mitgeteilt. Wenn dir soviel dran gelegen ist dass du Nutzen bringst solltest du es unterlassen ratsuchende Menschen noch weiter runterzuziehen, damit hilfst du nämlich niemandem! Im Gegenteil. Dein Drang nach Nutzen, die Art deiner Beiträge, ich gehe stark davon aus dass du nicht immer der beliebteste warst? Ich glaube du baust eine Schutzmauer um dich auf. Wir müssen das hier nicht weiter öffentlich vertiefen (ich habe ein psychologisch-pädagogisches Studium) bin somit keine klinische Psychologin, kann dir aber vielleicht trotzdem ein wenig helfen. Wenn du möchtest schick mir eine private Nachricht, vielleicht magst du mir ja mal erzählen was früher passiert ist. Auch wenn du nicht wirklich sympathisch wirkst, auf mich machst du immer wieder den Eindruck dass du nicht wirklich ein A... bist (sorry) sondern dass du irgendetwas nicht richtig verarbeiten kannst. Gruß danni
 
Dabei
29 Okt 2008
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#3
Du machst den Fehler deine Erfolge nur in "Echtzeit" zu sehen. Was du jetzt tust ist eine Investition in später.
Versuche ich ja. Ich übe mich in Vorfreude auf einen Bildungsabschluss, der mir selbst beweist, mehr zu können, als ein Auge auf termingerechtes Liefern und Qualität zu werfen und darauf, später zwar einen durchaus stressigen aber auch erfüllenden Beruf zu haben.

Wenn du dein Wissen später z. B. dazu nutzt Produktionsprozesse zu vereinfachen, Arbeitsplätze Arbeitnehmerfreundlicher zu gestalten (geh jetzt einfach mal davon aus dass du in der Produktion bleiben willst) nutzt das viel stärker als wenn du jezt "durcharbeiten" würdest und dich nicht weiterentwickeln würdest.
Naja, um das zu korrigieren: Ich bleibe im Grunde schon "industriell", ändere aber Branche und Werkstoff vollständig. Auf rationaler Ebene ist das so, zwar "blute" ich jetzt in der Form, pro Semester auf über 10.000,00€ zu verzichten, bin aber dafür drauf und dran, meine Lebensqualität durch einen geistig fordernden Beruf zu steigern. Ich habe, als ich mich zum Wechsel entschied, vorher tief in mich hinein gelblickt und erkannt, wenn ich das noch Jahre lang weiter mache, werde ich trotz gutem Gehalt einmal abstumpfen, verdummen, völlig vereinsamen und einen ebenso sang- und klanglosen Abgang haben.

Ich vermisse mein "eigenes" Feuer, das nach dem Motto "Back to the roots" zur Hälfte des Jahres da war. Ich studiere jetzt ein Fach, dessen Teilgebiete eine wissenschaftliche Disziplin umfassen, für die mir ein Lehrer damals ein überdurchschnittliches Talent nachsagte. Ich dachte, in dem Studium würde ich "aufgehen" aber das ist nicht der Fall. Ich vertrete zu Zeiten die These, dass der Mensch aufgrund der Tatsache, dass er fühlen kann, nur dann seine wahre Kraft entfaltet, wenn er glücklich ist und voll aufgeht in seinem Werk.

Wir müssen das hier nicht weiter öffentlich vertiefen (ich habe ein psychologisch-pädagogisches Studium)
Danke nein. Bleib ehrlich und gut ist. "Psychologisch-pädagogisch" versierte Leute habe ich genug erlebt und schweige diesbezüglich lieber, bevor es hässlich wird.
 
Dabei
22 Aug 2011
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#5
Hi Accident,

mein vorstudentisches "Berufsleben" war lediglich ein einjähriges Vorpraktikum - und als solches dermaßen sinnfrei und zeitverschwendend, dass es eigentlich nur noch hätte aufwärts gehen können. Nun ja - die Langeweile war bald vergessen. Aber Erfolgserlebnisse durch das Studium? Nee, wieso - aus den Jahren davor kennt man das ja, gute Noten zu bekommen. Ist also kein nennenswerter Erfolg. Und jahrelang tägliche Selbstmotivation a la "später bin ich mal Dipl.-Irgendwas und rette die Welt oder verdiene ein Schweinegeld" ist glaube ich eine Illusion - das schafft kaum jemand.

Diese Sinnkrise, die fehlenden direkten Erfolgserlebnisse (ob ich ne eins in der Klausur schreibe oder ob in China ein Sack Reis umfällt ... who cares?) - das kennt glaub ich jeder Student. Entweder man gewöhnt sich irgendwann daran, dass auch die Tatsache, dass man kein Ergebnis finden konnte, ein Ergebnis ist, und dass die Perfektionierung des eigenen Wissens genau das Produkt ist, das man liefern möchte - dann wird man ein erfolgreicher Wissenschaftler - oder man will greifbarerer Resultate, die auch für andere Menschen sichtbar und nützlich sind. Dann geht man irgendwann in die Industrie - mit Glück nach erfolgreicher Beendigung des Studiums, mitunter auch vorher.

Ich bin eher der zweite Typ - aber trotzdem in der Forschung gelandet. Hatte allerdings im Studium das Glück, mit ein paar Kommilitoninnen zusammen zu wohnen - da bildet sich dann eine Subkultur, in der Klausurerfolge allgemeine Anerkennung finden. Nebenbei hatte ich noch ne Beziehung, später dann Hausbau, Kinder, usw. - eben ein paar greifbare Dinge, die ebenfalls für ein paar greifbare Erfolge - und Misserfolge - sorgten. Da blieb einfach nicht viel Zeit, mir über den Sinn oder Unsinn meines Jobs Gedanken zu machen.

Trotzdem, wenn ich wählen könnte, ob ich den Tag damit verbringen möchte, ne Trockenbauwand hochzuziehen oder einen Konferenzvortrag zu halten - ich würde ersteres wählen. Blöderweise kann ich zweiteres besser - und es ist wirtschaftlich attraktiver. Man lernt irgendwann, Kompromisse zu schließen - oder einfach beides zu machen ;)
 
Dabei
29 Okt 2008
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#6
@danni81:

Extra ganz deutlich für dich:

- Es interessiert mich hier nicht, ob du mich für ein Arschloch hältst
- Mich interessieren hier nicht deine Interpretationsversuche, ob ich eines bin
- es ist mir egal, ob du etwas psychologisch-pädagogisches studierst. Ich habe BWL-Studenten reden gehört und musste sinnbildlich beide Hände vor den Kopf schlagen, dass du dein Studium erwähnst, löst bei mir keinen "Wow"-Effekt aus.

"Psycho-Spielchen" kannst du per PN spielen und musst sie dementsprechend hier auch gar nicht erwähnen. Wie und ob ich je beliebt war, spielt hier mal absolut keine Rolle.

@nixe:

Und jahrelang tägliche Selbstmotivation a la "später bin ich mal Dipl.-Irgendwas und rette die Welt oder verdiene ein Schweinegeld" ist glaube ich eine Illusion - das schafft kaum jemand.
Besseres Gehalt, bessere Lebensqualität, Selbstverwirklichung, eine Kombination daraus ist das Ziel in der Ferne.

Diese Sinnkrise, die fehlenden direkten Erfolgserlebnisse (ob ich ne eins in der Klausur schreibe oder ob in China ein Sack Reis umfällt ... who cares?) - das kennt glaub ich jeder Student.
Das ist ja meine Frage, ob das eines von meinen persönlichen Problemen ist oder ob das viele aufrechte Studenten kennen. Die "Party"-Fraktion klammere ich mal aus.

Entweder man gewöhnt sich irgendwann daran, dass auch die Tatsache, dass man kein Ergebnis finden konnte, ein Ergebnis ist, und dass die Perfektionierung des eigenen Wissens genau das Produkt ist, das man liefern möchte
Auslöser dieser Fragestellung war die Art von Tagen, an denen man sich im Grunde im Kreis dreht. Heute war so einer. Wenn man sich in ein Programm rein arbeiten muss, dessen Übersicht man nicht begreift und am Ende doch nicht damit arbeiten kann, dann hat man gar nichts - kein konkretes Wissen und kein konkretes Unwissen. Ich weiss, was du meinst. Nur Fehler, die man kennt, begeht man nicht noch einmal, sich mal zu verrechnen ist nicht schlimm. Aber man verrechnet sich ja auch bei Dingen, die irgendein Nichtsnutz aus der einfachen Sekundarstufe kann, weil sein Physiklehrer wenigstens ein Physiklehrer war. Es ist nicht jeder Fehler ruhmreich, manches Unwissen ist gar gelinde gesagt peinlich.

Ich denke für mich selbst nicht, dass es am Unterschied Forschung und Industrie liegt, zumindest ist das nicht ausschlaggebend. Ausschlaggebend ist die Sinnhaftigkeit der Tätigkeit. In der Forschung findet man eben u.U. Grundlagen heraus, die nur primär sinnlos erscheinen, von denen aber ein Verständnis für viel breitergefächerte Gebiete ausgeht. Demotivierend ist die unbedeutende Stelle dazwischen. Ich kann keine tiefere Lehre aus dem Scheitern an einem Versuch ziehen, den vor mir hunderttausende absolviert haben und den die Betreuer ohnehin im Schlaf auswendig können.
 
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Dabei
22 Aug 2011
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#7
Besseres Gehalt, bessere Lebensqualität, Selbstverwirklichung, eine Kombination daraus ist das Ziel in der Ferne.
Ist ja auch ein schönes Ziel. Aber was nützt das schönste Fernziel, wenn es Dir IM MOMENT mies geht? Ist so, als würde ich meine Fünfjährige nach einem Sturz mit dem schönen Spruch "bis zur Hochzeit ist alles wieder gut" trösten. Das hilft zwar auch ein klein wenig; wesentlich effektiver ist aber ein Pflaster, ein Kuss und ein Eis. SOFORT!
Das ist ja meine Frage, ob das eines von meinen persönlichen Problemen ist oder ob das viele aufrechte Studenten kennen.
Ich kenne einige, die das Problem haben. Einige brechen ab, einige lernen damit umzugehen, einige finden Kompensationsmöglichkeiten. Freunde, ein guter Nebenjob (Hiwis sehen das Unileben von ner ganz anderen Seite), ein Ehrenamt, ne Beziehung, ein Hobby ... gibt vieles, um so viele Erfolgserlebnisse zu sammeln, dass man deren momentanen Mangel etwas abfedern kann. Und es ist ne gute Vorbereitung fürs spätere Berufsleben, das ja mitunter auch eher von Routine und Frustration als von Erfolg und Selbstverwirklichung geprägt ist.

Es ist nicht jeder Fehler ruhmreich, manches Unwissen ist gar gelinde gesagt peinlich.
Mir nicht. Nie. Wenn ich eins gelernt habe, dann, dass niemand alles können kann. Genaugenommen ist es sogar oft so, dass Menschen, die in einem Bereich echt Spitze sind, in anderen, eigentlich ziemlich leichten Bereichen völlig versagen. Der Klassiker sind ja die Professoren, die in Hausschuhen zur Uni kommen. Insofern: nobody is perfect, kein Grund für Peinlichkeiten. Wenn Du diesen einen scheiß Versuch nun mal ums Verrecken nicht hinkriegst, legste eben beim nächsten Thema ne Spitzenleistung hin. Nur wenn das nicht-hinkriegen die Regel wird, solltest Du vielleicht mal über einen Fachrichtungswechsel nachdenken.

Bei mir isses übrigens Hardware. Du redest hier mit nem Informatiker, der noch nie nen Computer auseinander- und wieder zusammengeschraubt hat. Müsste mir das peinlich sein?

Ausschlaggebend ist die Sinnhaftigkeit der Tätigkeit. In der Forschung findet man eben u.U. Grundlagen heraus, die nur primär sinnlos erscheinen, von denen aber ein Verständnis für viel breitergefächerte Gebiete ausgeht.
In der Forschung findet man u.U. auch mal rein gar nix heraus. Oder findet heraus, dass das, was man herausgefunden hat, schon vor vier Wochen von einem Japaner publiziert wurde - blöderweise auf japanisch, deswegen hat man nix geahnt. Oder betreibt Auftragsforschung, weil man etwas Geld braucht, und befasst sich monatelang mit einem Thema, von dem man weiß, dass es niemanden weiterbringt. Oder man verschwendet in EU-Projekten irrsinnig viel Geld und Zeit, um den internationalen Partnern beizubiegen, was man von ihnen erwartet, einen Teil ihrer Arbeit mitzumachen und dann den Projektträger mit seitenlangen Ergebnisberichten davon zu überzeugen, dass das Projekt super gelaufen ist. Insofern ist es echt vorteilhaft, wenn man im Studium lernt, Methoden zur Frustrationstoleranz zu entwickeln und zu nutzen. Ansonsten heisst das Karriereziel nicht Aufsichtsrat oder Prof, sondern Burnout.

Demotivierend ist die unbedeutende Stelle dazwischen. Ich kann keine tiefere Lehre aus dem Scheitern an einem Versuch ziehen, den vor mir hunderttausende absolviert haben und den die Betreuer ohnehin im Schlaf auswendig können.
Solltest auch gar nicht. Mein Gott, Du bist im Grundstudium. Das ist wie im Modder wühlen - komm irgendwie da durch, aber erwarte nicht, dass es Spass macht. Oder dass Du sogar Gold findest. Ich weiß nicht, wie es an der FH läuft - aber an den Unis sind die Profs schon aus Kapazitätsgründen gezwungen, aus ca. 200 Anfängern ca. 60 Masterstudenten zu machen, und den Rest mit Bachelor oder ohne Abschluss loszuwerden. Selbst wenn Du letztlich zu den 60 gehören solltest - es wird ne Menge Aufgaben geben, mit denen Du hart kämpfst oder an denen Du scheiterst. Netzwerkbildung hilft da - und ist ebenfalls eine der wertvollsten Lektionen, die man später brauchen wird.
 
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