Nein, zu Beerdigungen geh ich natürlich nicht gerne. Und doch gibt es da auch was schönes. Die letzte, auf der ich war, war besonders schön. Auch besonders traurig. 4 junge Menschen verloren ihre gerade mal 50jährige Mutter. Es war unnütz und hätte verhindert werden können, hätte nicht sie sich immer um alle gesorgt sondern auch mal einer von uns allen im richtigen Moment um sie. Der Verlust schmerzte uns alle sehr. Es war beklemmend, weil jeder wußte, dass er hätte ihr Leben besser gemacht haben können und sie es verdient gehabt hätte - hat sie doch unser aller Leben besser gemacht. Sie war eine großherzige Seele von Mensch, ich denke, die großherzigste, die ich je persönlich kennenlernen durfte bislang. Die Trauerfeier war SCHÖN, unendlich traurig, aber auch so heilsam. Sie endete mit einer bemerkung meines damaligen Freundes (, der der beste Freund des ältesten Sohnes war und wie ein eigener Sohn behandelt wurde, ich somit wie die Schwiegertochter). Er sagte: "Seht mal da oben auf das Dach der Kappelle. Dort an der Regenrinne sitzt sie, läßt die Beine schaukeln und lacht sich einen darüber, wer und wie sehr sich hier alle die Augen ausheulen." Der Spruch riss alle aus ihrer Gedankenschleife und provozierte (typisch mein Ex). Aber alle schauten tatsächlich hin. Und ja, es war vollstellbar, sie würde genau dort sitzen, sich eines besseren Lebens erfreuen und bei uns sein. In den folgenden Minuten hörten irgendwie alle auf, zu weinen und das spätere Kaffeetrinken bei Fotos und Erinnerungen war wirklich fröhlich. Vergessen wurde all das Leid. Unseres. Aber vor allem ihres, und sie hatte leider Unmengen davon in ihren 50 Jahren. Nur einmal noch brach die jüngste Tochter (18) und darauf hin auch die andere (ca. 27) in Tränen aus. Aber wir anderen konnten beide viel mehr auffangen und trösten als zuvor. Es schien, als hätte unser Zusammensein und die Erinnerung an sie einen Teil ihrer Kraft und Liebe auf uns übergehen lassen. Ich werde diese Frau nie vergessen. Und dabei kannte ich sie nur kurz. Das Leid war groß. Und doch haben wir alle was Schönes darin entdeckt: wir alle hatten das Glück, diese Frau zu kennen, die uns alle auf ihre Art liebte. Und wir alle liebten sie auf unsere Art und hatten gerade im Schmerz die Gelegenheit, eben genau das zu spüren. Für sie konnten wir das nicht mehr ausdrücken oder Wiedergutmachung üben. Aber wir für uns untereinander alle. Den ältesten Sohn seh ich oder hör ich am Telefon heute noch - ab und an mal, ohne jede Regelmäßigkeit. Wenn es sich trifft, dass er bei meinem Ex ist oder ihn anruft, wenn ich dort mal zugegen bin. Zuletzt war das am 24.4.. Wir haben kurz telefoniert, gelacht, gescherzt. Nicht oberflächlich, sehr ernst und tiefgründig sogar. Diese Frau gekannt zu haben, diese Beerdigung erlebt zu haben, hat uns verbunden. Und ich werde nicht nur diese Frau nie vergessen, sondern auch nicht ihre Kinder und die anderen Menschen, die ich kannte, die auch auf dieser Beerdigung waren.
So, ich hoffe und denke, man sieht: bei allem Abschiedsschmerz und Leid: ich habe etwas Schönes gefunden. Ich würde sogar etwas SEHR Schönes sagen. Und ich danke Christiane, Stefan und Mike dafür. 3 großartige Menschen, jeder auf seine Art.
Das gemeine am Liebeskummer ist halt, dass man im Grunde der einzige Mensch ist, der am Grab steht - denn alle anderen verabschieden sich ja nicht wirklich von diesem Menschen, weil sie nicht müssen oder der Mensch keine Bedeutung in ihrem Leben hat. Es gibt also niemanden, der genau den Schmerz wegen genau diesen Abschieds von genau diesem Menschen, teilt.
Und trotzdem: ist es nicht doch ein schöner Aspekt am Liebeskummer, zu spüren, dass man liebt? Zu spüren, dass man lebt? Und wenn es dann nicht mehr schmerzt, man sich vergeben hat, für all die Dinge, die man getan oder gelassen hat - und dem anderen vergeben hat, all die Dinge, die er getan oder gelassen hat ... ist es dann nicht schön, zu wissen, man kannte mal diesen Menschen und dieses Kennen war besonders?